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Thomas Schlegel und Jana Petri im Gespräch – Teil 1

Zum neuen Jahr übergibt Thomas Schlegel die Leitung des opera­tiven Geschäfts an Jana Petri. Die beiden haben sich gegen­seitig Fragen zu ihrer Arbeit gestellt und sind darüber ins Gespräch gekommen. 

Jana: Thomas, 2014 sind die Erpro­bungs­räume an den Start gegangen. Welche war damals deine größte Hoffnung und deine größte Befürchtung zu Beginn des Projekts?

Thomas: Es gibt so viele Programme, die Kirchen aufsetzen, die mit Hoch­glanz­bro­schüren und fancy Werbe­ar­tikeln unter­setzt sind, aber wenig Wirkung entfalten. Natürlich hatten wir Angst, dass die Erpro­bungs­räume eines davon werden. Unsere größte Hoffnung war, dass die Erpro­bungs­räume Spuren hinter­lassen und dass Menschen bereit sind, sich darauf einzu­lassen und Lust haben mitzu­machen. Diese Hoffnung hat sich auf jeden Fall erfüllt. Dabei hatten wir aber nie ein konkretes Bild vor Augen wie die Erpro­bungs­räume zu einem bestimmten Zeit­punkt aussehen sollen. Wir hatten damals einfach das Gefühl, das Richtige zu tun.

Jana: Gibt es etwas, das sich ganz anders entwi­ckelt hat als gedacht?

Thomas: Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Erpro­bungs­räume so viel Aufmerk­samkeit bekommen. Auch außerhalb der EKM. Immerhin gibt es nun sogar in Öster­reich und der Schweiz Erpro­bungs­räume und wir werden zu unseren Erfah­rungen ange­fragt. Mit Blick auf die EKM würde ich sagen: Die Haltung des Erprobens hat Einzug gehalten. Es findet langsam ein Blick­wechsel statt, denn „Erproben“ heißt ja, dass man nach vorne schaut und sich nicht an dem orien­tiert, was mal war. Ich glaube nicht, dass diese Verän­derung nur an den Erpro­bungs­räumen liegt, aber sie haben mit Sicherheit dazu beigetragen. Sie zeigen auch, dass nicht überall das gleiche Konzept funk­tio­niert. Um das Richtige zu finden, muss auspro­biert werden.

Jana: Wir erproben ja mit einem bestimmten Ziel: Wir wollen Menschen den christ­lichen Glauben näher­bringen. Aber was hat der christ­liche Glaube, den Menschen heute noch anzubieten?

Thomas: Für mich sind das zwei Dinge: Gelas­senheit und Hoffnung. Gelas­senheit, weil ich weiß: Ich muss das nicht alles selbst steuern. Weder mein Leben noch diese Welt. Es ist sehr entlastend zu wissen: Da sitzt jemand am Hebel. Hoffnung vor allem darauf, dass die Welt eine Zukunft hat und es Sinn macht, sich für sie einzu­setzen. Es ist nicht sinnlos, es ist nicht sinnlos zu verzeihen, es ist nicht sinnlos, die Umwelt zu schützen und zu teilen. Weil: Gottes Reich kommt.

Jana: Würdest du auch sagen Hoffnung und Gelas­senheit zu verbreiten, ist gerade der wich­tigste Auftrag von Kirche?

Thomas: Ich würde sagen, es ist gerade am wich­tigsten für Kirche, mensch­licher zu werden. Die Leute, die ich in unserer Kirche erlebe, tragen zwar das Herz nach außen, aber die insti­tu­tio­nelle Verwal­tungs­logik spricht eine andere Sprache. Sie ist menschenfern. Ich glaube, dass die Faktoren Geld und Macht eine große Rolle spielen. Wenn die Kirche weniger daran fest­halten würde, wäre sie wahr­scheinlich mensch­licher. Aber da ihre Privi­legien vermutlich auto­ma­tisch schwinden werden, kann ich auch hier ganz gelassen sein. 🙂

Jana: Wie stellst du dir die EKM im Jahr 2050 vor und welche Rolle spielen die Erpro­bungsräume darin?

Thomas: Wenn ich Kirche nach vorn denke, glaube ich, dass sich die aktu­ellen Trends verfes­tigen: Struk­turen werden gedehnt, Pfarr­ämter geschlossen und Kirchen bleiben unge­nutzt. Viel­leicht werden die ehema­ligen Props­teien mal zu Kirchen­kreisen; dann hätten wir in der EKM noch 5. Wer weiß. Wich­tiger ist: An einigen Orten wird leben­diges christ­liches Leben anzu­treffen sein, ob nun in Gemeinden oder am Bahnhof oder am Bauwagen. An anderen Orten wird dann nichts mehr sein. Versorgung als Para­digma des Kirche-Seins ist passé. Die EKM wird weniger eine Verwal­tungs­fläche als vielmehr ein Netzwerk sein, in dem die Erpro­bungs­räume eine wichtige Rolle spielen.

Jana: Wenn du zurück­schaust auf deine Arbeit, was waren deine bewe­gendsten Momente?

Thomas: Mich hat es immer tief berührt, wenn ich bei Erpro­bungs­räumen vor Ort sein konnte. Zum Beispiel bei „Jumpers“ in Gera, wenn ich beob­achten konnte, wie das Team mit Kindern und Familien umgeht: Wert­schätzend, ermäch­tigend und zuge­wandt. Oder wenn ich Geschichten hörte: aus der „Silberhöhe, oder von „Zeit schenken“ in Dermbach oder dem „Erpro­bungsraum Langen­salza, um nur ein paar Wenige zu nennen. Wenn ich gemerkt habe, dass die Arbeit vor Ort Menschen berührt und beflügelt und das Evan­gelium für sie dort relevant ist.

Jana: Gab es auch Momente, an die du dich nicht gern erinnerst?

Thomas: Natürlich gab es auch traurige Momente. Das waren die, in denen es ein insti­tu­tio­nelles Hickhack gibt. Wenn dann die Neid­de­batten über zu viel oder zu wenig Geld aufkommen, zu stark in Struk­turen gedacht wird oder es kein Verständnis für das Erproben gibt.

Jana: Was ist dein größtes Learning von den Erpro­bungs­räumen? Was nimmst du mit?

Thomas: Kirche geht auch heute noch. Wenn Menschen ihr Herz öffnen und bereit sind, Opfer zu bringen, kann das funk­tio­nieren. Die Botschaft von Gott kann auch heute noch Leben verändern.

Hier geht’s zum zweiten Teil des Gesprächs.