Thesen und Fragen zu Erprobungsräumen

Feb. 18, 2021 | Reflexion & Evaluation

Studi­entag Erpro­bungs­räume 11. September 2020

Thesen und Fragen zu den Erpro­bungs­räumen der EKM

Die derzeit vorhan­denen und geför­derten Erpro­bungs­räume stiften produk­tive Unruhe – in benach-barten Kirchen­ge­meinden, aber auch im Gesamt­system der EKM. Die Frage: „Wie verän­dern die Er-probungs­räume die EKM insge­samt?“ macht den gedank­li­chen Dreh- und Angel­punkt der nachfol-genden Über­le­gungen aus.

Thesen zum bishe­rigen Verlauf des Programmes Erprobungsräume:

  • Immer mehr Kirchen­ge­meinden stellen sich der Notwen­dig­keit, neue Wege zu beschreiten. Dabei zeigt sich, dass die sieben für die Erpro­bungs­räume formu­lierten Krite­rien auch „klas­si­sche“ Kir-chen­ge­meinden inspi­rieren können (Gemeinde entsteht neu; Logik von Paro­chie, Hauptamt und Kirchen­ge­bäude wird über­schritten; bislang Uner­reichte errei­chen; sich auf den Kontext einlas-sen; Rolle der Frei­wil­lig­keit; alter­na­tive Finanz­quellen; gelebte Spiri­tua­lität). In den sieben Krite-rien werden Merk­male einer aufge­schlos­senen Kirche formu­liert, die über die Erpro­bungs­räume hinaus verall­ge­mei­ne­rungs­fähig sind. Das spricht für den theo­lo­gi­schen Gehalt der Krite­rien und für das ihnen inne­woh­nende trans­for­ma­tive Potential.
  • Es wäre konzep­tio­nell zu kurz gesprungen, Erpro­bung nur auf „neue“ Gemein­de­formen zu be-schränken. Auch in bestehenden Kirchen­ge­meinden ist inno­va­tives Poten­tial vorhanden, das wahr­ge­nommen werden will und geför­dert zu werden verdient.
  • Je breiter ange­legt „Erpro­bung“ in der EKM statt­findet, umso wich­tiger ist es, auch weiterhin klar zu defi­nieren, was Erpro­bung ausmacht und was nicht. Unter­bleibt das, verliert der Begriff „Er-probung“ seine unter­schei­dende Kraft und wird zur Leer­formel. Wenn ein Zustand entsteht, in dem alles irgendwie Erpro­bung ist, dann liegt der Verdacht nahe, dass der ursprüng­liche Verän-derungs­im­puls erfolg­reich vom Status quo aufge­sogen wurde.
  • Das Programm Erpro­bungs­räume hat mitt­ler­weile weit über die EKM hinaus eine posi­tive Aus-strah­lungs­wir­kung entfaltet. Die EKM wird in der kirch­li­chen Öffent­lich­keit als inno­vativ und mu-tig wahr­ge­nommen. Sich von diesem Image in die Pflicht nehmen zu lassen, ist Bürde und Chance zugleich.
  • Jede Orga­ni­sa­tion hat ihren spezi­fi­schen Lebens­zy­klus. Das gilt auch für die unter­schied­li­chen Formen von Kirchen­ge­meinden. Die Dauer­haf­tig­keit von evan­ge­li­scher Kirche steht nicht im Wi-derspruch dazu, dass ihre einzelnen Gemeinden vergäng­liche Gebilde in Zeit und Raum sind.
  • Erpro­bung ist mehr als die Schaf­fung inno­va­tiver Inseln in einer ansonsten unver­än­dert bleiben-den Kirche. Es geht um eine allmäh­liche Trans­for­ma­tion der EKM als Ganzes: zu einer Kirche, die das Neben- und Mitein­ander unter­schied­li­cher Formen von Gemeinde ermög­licht. Dieses Fern-ziel muss jedoch von den kirchen­lei­tenden Gremien gewollt sein – mit all den Span­nungen und Konflikten, die damit verbunden sind.

Fragen, die sich mit Blick auf die Zukunft der Erpro­bungs­räume stellen:

  • Die Landes­kirche bietet den Erpro­bungs­räumen fach­liche Beglei­tung, juris­ti­sche Bera­tung und finan­zi­elle Unter­stüt­zung an. Werden diese drei Ange­bote von den Antrag­stel­le­rinnen und An-trag­stel­lern in glei­chem Maße nach­ge­fragt? Welche Schluss­fol­ge­rungen lassen sich aus der Sym-metrie oder Asym­me­trie des Nach­fra­ge­ver­hal­tens für die zukünf­tige Form der landes­kirch­li­chen Unter­stüt­zung und Beglei­tung der Erpro­bungs­räume ziehen?
  • Welche Krite­rien muss ein Erpro­bungs­raum erfüllen, um „nach­haltig“ zu sein? Wie viele Erpro-bungs­räume können in diesem Sinne derzeit als nach­haltig bezeichnet werden? Gibt es Erpro-bungs­räume, denen es gelungen ist, sich für einen längeren Zeit­raum alter­na­tive Finanz­quellen zu erschließen?
  • Artikel 3, Absatz 2 der Verfas­sung der EKM sieht die Rolle von beson­deren Formen von Ge-meinde darin, dass sie das Leben der kirch­li­chen Körper­schaften nach Maßgabe der kirch­li­chen Ordnung ergänzen. Inwie­weit ist dieser zukunfts­wei­sende Anspruch der Kirchen­ver­fas­sung im Recht der EKM konkret einge­löst, indem in Kirchen­ge­setzen, Verord­nungen, Satzungen etc. inhalt­lich darauf Bezug genommen wird?
  • Wo gibt es Reibungs­punkte und Konflikte zwischen Erpro­bungs­räumen (als neuen Formen von Gemeinde) und vorhan­denen kirch­li­chen Struk­turen und Ordnungen? Auf welche Heraus­forde-rungen und Hand­lungs­be­darfe weisen diese Reibungs­punkte und Konflikte hin?
  • Was ist zu tun, damit aus dem geför­derten Ausnah­me­tat­be­stand, den die Erpro­bungs­räume der-zeit darstellen, ein ganz normaler Bestand­teil des kirch­li­chen Lebens in der EKM wird?
  • Wie kann perspek­ti­visch das Neben­ein­ander von neuen und „klas­si­schen“ Gemein­de­formen in ein produk­tives Mitein­ander verwan­delt werden? Welche Anreize sind denkbar, um Koope­ra­tion und Zusam­men­ar­beit zwischen unter­schied­li­chen Formen von Gemeinden zu fördern? Welche Hinder­nisse (auch mentaler Art) müssen dafür über­wunden werden?

Erfurt, den 10.08.2020 Dr. Jürgen Gimmel Leiter Referat A2

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