Gottesdienst und Spiritualität in neuen Gemeindeformen
Forschungsergebnisse aus sechs Jahren wissenschaftlicher Begleitung
Seit Beginn des Erprobungsraum-Programms wurden Erprobungsräume wissenschaftlich begleitet und von zwei Instituten evaluiert.
Bis 2022 evaluierten das Sozialwissenschaftliche Institut (SI) in Hannover, sowie das Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) in Greifswald 15 geförderte Erprobungsraum Projekte. Seit 2023 erhebt das SI Daten aller EPRs durch ein jährliches Monitoring und die MKG (Forschungsstelle Missionaler Kirchen- & Gemeindeentwicklung) in Halle/Saale erforscht zukünftig vertieft einzelne EPRs.
Im Rahmen der Liturgischen Konferenz der EKD in Hildesheim hielt Dr. Gunther Schendel, Teil der Forschenden des Sozialwissenschaftlichen Instituts, im März 2023 einen Vortrag zu den Erkenntnissen, die die Forschenden in den letzten sechs Jahren gewonnen haben.
Es folgt die Gliederung und das Fazit des Vortrags. Der gesamte Vortrag von Herrn Dr. Gunther Schendel steht hier zum Download bereit.
SCHENDEL Gottesdienst in den Erprobungsräumen der EKM (3–2023)
Gottesdienst und Spiritualität in neuen Gemeindeformen
Ergebnisse aus den Erprobungsräumen in der Ev. Kirche in Mitteldeutschland
Gunther Schendel
1. Einleitung: Gottesdienst und Kirchenentwicklung gehören zusammen
2. Die Erprobungsräume der EKM – ein kurzer Blick auf ein Innovationsprogramm
3. Neue Gemeindeformen, neue Formen von Gottesdienst und Spiritualität?
Typ 1: Gemeinde als Institution – ehrenamtlich und sozialraumorientiert
Typ 2: Konvivenz – kommunitäres Mitleben vor Ort
Typ 3: Jugendkulturell zwischen Netzwerk und Gemeindebildung
Typ 4: Neue kirchliche Orte
4. Liturgische Bündelung: Kontext, Zeiten und Orte, Akteur*innen
5. Fazit
Als Fazit lassen sich thesenartig drei Ergebnisse festhalten:
1. Das liturgische, auch das spirituelle Leben in den Erprobungsräumen ist so vielfältig, wie es die Gemeindeformen sind. Im Erprobungsmodus setzt sich die Pluralisierung des Gottesdienstes fort. Den Kriterien des Förderprogramms entsprechend gilt das vor allem für die Kontextorientierung und die Abweichung von der parochialen Logik.
2. Die dabei betätigten Stellschrauben (Kontext, Ort & Zeit, Akteur*innen) sind natürlich nicht völlig neu; Zielgruppengottesdienste wie das „Zweite Programm“ haben an diesen Stellschrauben bereits häufig angesetzt. Das „Neue“ an den Erprobungsräumen (wie an den im „Atlas“ untersuchten „neue Gemeindeformen“) ist der vielfach anzutreffende Zusammenhang zu einer Sozialform, zu einer sozialen Praxis. Hier steht das liturgische Leben nicht mehr oder weniger isoliert da, sondern es ist Teil eines umfassenderen Sets von Kommunikation, sozialen Praktiken und Werten und damit selbst eine soziale Praxis.
3. Relevant sind die liturgischen Experimente aus den Erprobungsräumen auch deshalb, weil sie die Chancen gottesdienstlicher Handlungsformen in einem weithin säkularisierten Kontext erproben. Neben (religiöser) Niedrigschwelligkeit und Erlebnisorientierung spielen Aspekte der religiösen Bildung eine Rolle. Hierzu gehört die Elementarisierung genauso wie das Einüben und Performen – oder wie die Gestaltung als Gesprächsgottesdienst. Dabei wird vielfach deutlich, dass es in der meist responsiven Perspektive der Erprobungsräume nicht um Uniformierung geht, sondern um eine Kirche mit vielfältigen Zugängen. Darum spielen sich die Lernprozesse nicht nur bei den Menschen ab, die mit den Erprobungsräumen in Berührung kommen, sondern auch bei den Verantwortlichen in den Erprobungsräume selbst. Die Erprobungsräume stehen für eine lernende Kirche, also für eine Kirche, die bewusst lernen will. Das gilt nicht zuletzt auch mit Blick auf das gottesdienstliche Leben.
Dr. Gunther Schendel, Sozialwissenschaftliches Institut der EKD,