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Thesen und Fragen zu Erprobungsräumen

Studi­entag Erpro­bungs­räume 11. September 2020

Thesen und Fragen zu den Erpro­bungs­räumen der EKM

Die derzeit vorhan­denen und geför­derten Erpro­bungs­räume stiften produktive Unruhe – in benach-barten Kirchen­ge­meinden, aber auch im Gesamt­system der EKM. Die Frage: „Wie verändern die Er-probungs­räume die EKM insgesamt?“ macht den gedank­lichen Dreh- und Angel­punkt der nachfol-genden Über­le­gungen aus.

Thesen zum bishe­rigen Verlauf des Programmes Erprobungsräume:

  • Immer mehr Kirchen­ge­meinden stellen sich der Notwen­digkeit, neue Wege zu beschreiten. Dabei zeigt sich, dass die sieben für die Erpro­bungs­räume formu­lierten Kriterien auch „klas­sische“ Kir-chen­ge­meinden inspi­rieren können (Gemeinde entsteht neu; Logik von Parochie, Hauptamt und Kirchen­ge­bäude wird über­schritten; bislang Uner­reichte erreichen; sich auf den Kontext einlas-sen; Rolle der Frei­wil­ligkeit; alter­native Finanz­quellen; gelebte Spiri­tua­lität). In den sieben Krite-rien werden Merkmale einer aufge­schlos­senen Kirche formu­liert, die über die Erpro­bungs­räume hinaus verall­ge­mei­ne­rungs­fähig sind. Das spricht für den theo­lo­gi­schen Gehalt der Kriterien und für das ihnen inne­woh­nende trans­for­mative Potential.
  • Es wäre konzep­tionell zu kurz gesprungen, Erprobung nur auf „neue“ Gemein­de­formen zu be-schränken. Auch in bestehenden Kirchen­ge­meinden ist inno­va­tives Potential vorhanden, das wahr­ge­nommen werden will und gefördert zu werden verdient.
  • Je breiter angelegt „Erprobung“ in der EKM statt­findet, umso wich­tiger ist es, auch weiterhin klar zu defi­nieren, was Erprobung ausmacht und was nicht. Unter­bleibt das, verliert der Begriff „Er-probung“ seine unter­schei­dende Kraft und wird zur Leer­formel. Wenn ein Zustand entsteht, in dem alles irgendwie Erprobung ist, dann liegt der Verdacht nahe, dass der ursprüng­liche Verän-derungs­impuls erfolg­reich vom Status quo aufge­sogen wurde.
  • Das Programm Erpro­bungs­räume hat mitt­ler­weile weit über die EKM hinaus eine positive Aus-strah­lungs­wirkung entfaltet. Die EKM wird in der kirch­lichen Öffent­lichkeit als inno­vativ und mu-tig wahr­ge­nommen. Sich von diesem Image in die Pflicht nehmen zu lassen, ist Bürde und Chance zugleich.
  • Jede Orga­ni­sation hat ihren spezi­fi­schen Lebens­zyklus. Das gilt auch für die unter­schied­lichen Formen von Kirchen­ge­meinden. Die Dauer­haf­tigkeit von evan­ge­li­scher Kirche steht nicht im Wi-derspruch dazu, dass ihre einzelnen Gemeinden vergäng­liche Gebilde in Zeit und Raum sind.
  • Erprobung ist mehr als die Schaffung inno­va­tiver Inseln in einer ansonsten unver­ändert bleiben-den Kirche. Es geht um eine allmäh­liche Trans­for­mation der EKM als Ganzes: zu einer Kirche, die das Neben- und Mitein­ander unter­schied­licher Formen von Gemeinde ermög­licht. Dieses Fern-ziel muss jedoch von den kirchen­lei­tenden Gremien gewollt sein – mit all den Span­nungen und Konflikten, die damit verbunden sind.

 

Fragen, die sich mit Blick auf die Zukunft der Erpro­bungs­räume stellen:

  • Die Landes­kirche bietet den Erpro­bungs­räumen fach­liche Begleitung, juris­tische Beratung und finan­zielle Unter­stützung an. Werden diese drei Angebote von den Antrag­stel­le­rinnen und An-trag­stellern in gleichem Maße nach­ge­fragt? Welche Schluss­fol­ge­rungen lassen sich aus der Sym-metrie oder Asym­metrie des Nach­fra­ge­ver­haltens für die zukünftige Form der landes­kirch­lichen Unter­stützung und Begleitung der Erpro­bungs­räume ziehen?
  • Welche Kriterien muss ein Erpro­bungsraum erfüllen, um „nach­haltig“ zu sein? Wie viele Erpro-bungs­räume können in diesem Sinne derzeit als nach­haltig bezeichnet werden? Gibt es Erpro-bungs­räume, denen es gelungen ist, sich für einen längeren Zeitraum alter­native Finanz­quellen zu erschließen?
  • Artikel 3, Absatz 2 der Verfassung der EKM sieht die Rolle von beson­deren Formen von Ge-meinde darin, dass sie das Leben der kirch­lichen Körper­schaften nach Maßgabe der kirch­lichen Ordnung ergänzen. Inwieweit ist dieser zukunfts­wei­sende Anspruch der Kirchen­ver­fassung im Recht der EKM konkret eingelöst, indem in Kirchen­ge­setzen, Verord­nungen, Satzungen etc. inhaltlich darauf Bezug genommen wird?
  • Wo gibt es Reibungs­punkte und Konflikte zwischen Erpro­bungs­räumen (als neuen Formen von Gemeinde) und vorhan­denen kirch­lichen Struk­turen und Ordnungen? Auf welche Heraus­forde-rungen und Hand­lungs­be­darfe weisen diese Reibungs­punkte und Konflikte hin?
  • Was ist zu tun, damit aus dem geför­derten Ausnah­me­tat­be­stand, den die Erpro­bungs­räume der-zeit darstellen, ein ganz normaler Bestandteil des kirch­lichen Lebens in der EKM wird?
  • Wie kann perspek­ti­visch das Neben­ein­ander von neuen und „klas­si­schen“ Gemein­de­formen in ein produk­tives Mitein­ander verwandelt werden? Welche Anreize sind denkbar, um Koope­ration und Zusam­men­arbeit zwischen unter­schied­lichen Formen von Gemeinden zu fördern? Welche Hinder­nisse (auch mentaler Art) müssen dafür über­wunden werden?

 

Erfurt, den 10.08.2020 Dr. Jürgen Gimmel Leiter Referat A2