Reformerzeit 2020 – Ein Erlebnisbericht
Clara Gebhardt nahm als Theologisstudentin an der Reformerzeit der Erprobungsräume teil. In diesem Artikel teilt sie ihre Eindrücke.
Am ersten Septemberwochenende 2020 trafen sich 16 Personen unterschiedlichen Alters in dem idyllischen Dörfchen Klöden in Sachsen-Anhalt zur Reformerzeit. Das Motto war „Recreation“, was so viel bedeutet wie Erholung, Stärkung, Freizeitbeschäftigung, Wiederherstellung und Neuschaffung. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus Personen, die sich in den Erprobungsräumen der EKM haupt- oder ehrenamtlich einbringen und dabei Kirche neu gestalten wollen. Das alte Pfarrhaus war ein optimaler Ort, um gemeinsam über die Zukunft der Kirche und die eigenen Projekte nachzudenken. Schon bei der Vorstellungsrunde wurde deutlich, dass sich hier Personen treffen, die von einer veränderten Kirche träumen.
Um diesen Prozess zu begleiten und anzuregen waren Miriam Hoffmann und Janneke Botta von den Beymeistern in Köln eingeladen. Das Projekt bietet Menschen im Viertel Mülheim einen Ort zum Beisammensein und Kennenlernen und versucht den Bedürfnissen der Menschen praktisch und spirituell zu begegnen. In den Vorträgen erzählten die Beiden wie man als neue Form von Kirche milieusensibel von den Menschen im Stadtviertel lernt, sowie von den Schwierigkeiten und den Erfolgen und dem richtigen Kaffee für die Zielgruppe. Denn Kaffeesahne oder Sojamilch ist jeweils ein Statement, welches die Einen einlädt und die Anderen abschreckt. Dabei gestalten die Beymeister ihre Arbeit auf eine völlig andere Weise als man es in der Kirche gewohnt ist. Sie haben zum Beispiel keinen regelmäßigen Gottesdienst, dafür aber immer wieder neue Veranstaltungen, in denen sich Menschen begegnen. Außerdem gilt bei ihnen die Regel, dass man nicht gleichzeitig bei den Beymeistern in der Leitung und in einer anderen Gemeinde mitarbeiten sollte. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass Menschen nur schwer aus ihren Gewohnheiten ausbrechen können und sich nur schwer auf die anderen Bedürfnisse der Zielgruppe einlassen können.
“Ziel ist es, sich von den üblichen Strukturen und Vorurteilen zu lösen und den Menschen in Mühlheim als Kirche in ihrer Lebensform, Sprache, Ess- und Freizeitkultur zu begegnen.”
Ausgehend von den Erzählungen wurde auf der Reformerzeit nun intensiv diskutiert, was es bräuchte, um als Erprobungsraum ganz Kirche zu sein, ab wann eine Gruppe als Gemeinde zu bezeichnen sei und auf welche Weise von Jesus Christus und dem Evangelium gesprochen werden sollte.
Nicht nur bei den Vorträgen wurden neue Ideen gesammelt, sondern auch durch den Austausch miteinander wurde Neues entdeckt. Nicht zuletzt beim Tandemfahren konnte erlebt werden, dass man manchmal auch einfach den Lenker loslassen darf (wenn man nicht grade vorn sitzt) und dass es gut ist, wenn man gemeinsam tritt, damit es voran geht.
Am Samstagabend saßen alle nach gemütlichem Grillen am Lagerfeuer zusammen. Der sogenannte „Fuck-Up-Abend“ (ein Begriff aus der Start-Up-Szene) zelebriert erlebte Misserfolge und verpasste Chancen. Damit wurde ins Bewusstsein gerückt, dass Pionier-Projekte nicht immer nur erfolgreich sind, sondern einzelne Misserfolge, persönliche Schwächen und Scheitern auch dazu gehören dürfen und Teil des Lernprozesses sind.
Am nächsten Morgen wurden die Teilnehmenden in die Angebote der Beymeister hineingenommen und konnten die Gottesdienstform „dreyerley“ selbst erleben. Mit einer Tüte voller kurzer Texte, Cracker Käse und Weintrauben genoß man zuerst den Sonntagmorgen, reflektierte das Wochenende und wurde für sich allein auf einen Spaziergang geschickt. Nach einer Weile begleitet von der spätsommerlichen Sonne, traf man sich zu zweit und teilte miteinander sein Frühstück und seine bisherigen Gedanken. Dieser Gottesdienst in völlig anderer Form gab die Möglichkeit geistlich aufzutanken und all das Gehörte und Erlebte zu verarbeiten.